Klimaneutralität und Nachhaltigkeit sind mittlerweile feste Bestandteile der Marketingstrategien vieler Unternehmen. Kleine und mittelständische Unternehmen (KMUs) sowie Energieversorger, wie etwa Stadtwerke, werben zunehmend mit Begriffen wie „klimaneutral“, „Ökostrom“ oder „klimafreundlich“, um sich als umweltbewusst und nachhaltig zu positionieren. Doch das Katjes-Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) im Juni 2024 zeigt, dass speziell mit der Bezeichnung „klimaneutral“ Vorsicht geboten ist. Wird dieser Begriff in der Kommunikation eingesetzt, muss er nämlich unmittelbar belegt werden – auch in der Werbung, wie etwa in Google Ads oder Social Media Anzeigen. Ähnliche Begriffe befinden sich damit aktuell in einer heiklen Grauzone.
In diesem Artikel werfe ich einen Blick auf das Urteil, erkläre seine Relevanz für KMUs und Energieversorger / Stadtwerke und gebe Tipps, wie Unternehmen ihre Werbung rechtssicher gestalten können.
Was es mit dem Katjes-Urteil auf sich hat
Bereits im Juli 2022 wurde der Süßwarenhersteller Katjes von der Wettbewerbszentrale verklagt, weil er in einer Fachzeitschrift eines seiner Produkte mit dem Slogan „klimaneutral“ beworben hatte. Katjes hatte in der Lebensmittelzeitung, Ausgabe vom 19. Februar 2021, mit der Aussage geworben:
„Seit 2021 produziert Katjes alle Produkte klimaneutral.“
Die Herstellung der Süßigkeiten von Katjes selbst ist aber nicht emissionsfrei. Stattdessen unterstützte der Hersteller – wie es viele andere Unternehmen auch machen – über ein anderes Unternehmen lediglich Klimaschutzprojekte, mit denen CO₂-Emissionen kompensiert werden.
Die Wettbewerbszentrale war daher der Ansicht, dass Katjes‘ Aussage mit dem Begriff „klimaneutral“ irreführend sei, da nicht klar ersichtlich war, wie die Klimaneutralität erreicht wurde und klagte vor dem Landgericht (LG) Kleve und später vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf. Beide Klagen brachten keinen Erfolg, weshalb die Wettbewerbszentrale vor den Bundesgerichtshof zog. Dieser urteilte im Juni 2024 und gab der Organisation recht – er entschied, dass Unternehmen, die mit solchen Aussagen werben, diese präzise und transparent belegen müssen. Der Begriff „klimaneutral“ sei laut dem BGH mehrdeutig, weil er sowohl im Sinne einer CO₂-Reduktion als auch einer bloßen Kompensation verstanden werden könne.
Die Kernpunkte des Urteils:
- Werbeaussagen wie „klimaneutral“ dürfen nicht irreführend oder vage sein.
- Unternehmen müssen konkret darlegen, welche Maßnahmen sie ergriffen haben, um die beworbene Klimaneutralität zu erreichen.
- Die Klarstellung, welche Alternative zutreffe – also eine CO₂-Reduktion oder eine bloße Kompensation –, muss bereits in der Werbung erfolgen. Hinweise an anderer Stelle, die erst über eine Website-URL oder einen QR-Code erreichbar sind, sind nicht ausreichend.
Warum das Urteil für KMUs und Stadtwerke wichtig ist
Das Katjes-Urteil betrifft nicht nur Großunternehmen, sondern auch KMUs und Energieversorger, die zunehmend auf Nachhaltigkeit und Klimaneutralität setzen. Gerade Stadtwerke, die oft mit dem Begriff „klimaneutral“ werben, müssen hier zwingend tätig werden und ihr Wording ggf. anpassen. Darüber hinaus ist es auch ratsam, andere „grüne“ Schlagworte wie „Ökostrom“, „klimafreundlich“ oder „gut für die Umwelt“ näher unter die Lupe zu nehmen. Zwar bezieht sich das BGH-Urteil nur auf das Wort „klimaneutral“, aber auch verwandte Begriffe sollten mit Vorsicht verwendet werden.
Warum auch „Ökostrom“ und „klimafreundlich“ heikle Begriffe sind:
- „Ökostrom“: Strom aus erneuerbaren Energien wird häufig als „Ökostrom“ vermarktet, doch nicht alle erneuerbaren Energiequellen sind automatisch umweltfreundlich. Unternehmen sollten klarstellen, wie der Strom produziert wird und welche ökologischen Vorteile tatsächlich bestehen.
- „Klimafreundlich“: Dieser Begriff suggeriert, dass ein Produkt oder eine Dienstleistung die Umwelt positiv beeinflusst. Doch auch hier gilt: Es muss klar erklärt werden, welche Maßnahmen zur CO₂-Reduktion oder Kompensation beitragen.
- „Gut für die Umwelt“: Dieser vage Ausdruck kann schnell irreführend sein, wenn nicht deutlich gemacht wird, welche konkreten Umweltauswirkungen das beworbene Produkt oder die Dienstleistung hat.
Diese Begriffe, ähnlich wie „klimaneutral“, bergen das Risiko, Kunden in die Irre zu führen, wenn die Werbeaussagen nicht durch konkrete Maßnahmen gestützt werden. Das heißt unterm Strich auch zwangsläufig, dass Werbeplakate, Google Anzeigen, Social Media Anzeigen, TV-Werbung etc. um die entsprechenden konkreten Informationen ergänzt werden müssen.
Transparenz in der Werbung – Rechtssicher kommunizieren
Wenn Unternehmen mit diesen Begriffen werben, müssen sie genau erklären, welche Maßnahmen sie ergriffen haben, um diese Aussagen zu rechtfertigen. Dies könnte beinhalten, wie die CO₂-Emissionen reduziert oder kompensiert werden, oder wie der Strom, der als „Ökostrom“ bezeichnet wird, tatsächlich produziert wird.
- Detaillierte Information: Zur Untermauerung von Begriffen auf der eigenen Website kann beispielsweise auf eine Erläuterung verlinkt werden, die genau erklärt, wie der beworbene Strom erzeugt oder wie genau die CO₂-Emissionen kompensiert werden.
- Nachvollziehbare Nachweise: Wer Klimaneutralität oder Umweltschutz bewirbt, sollte bereit sein, den Kunden nachvollziehbare Nachweise zu präsentieren. Dazu gehören Zertifikate von anerkannten Klimaschutzprojekten oder Emissionsberichte.
- Fußnoten: Soll der Begriff „klimaneutral“ weiterhin genutzt werden, muss bereits in der Werbung der Begriff und seine genaue Bedeutung erklärt werden. (z. B. in Form einer Fußnote). Aber auch bei Begriffen wie „Ökostrom“, „grünes Gas“ oder „klimafreundliche Produktion“ sollten entsprechende Erklärungen/Nachweise fortan inkludiert werden. Damit müssen zwangsläufig Werbeplakate, Social Ads etc. neu gedacht bzw. nachträglich angepasst und inhaltlich erweitert werden.
Und wenn ich alles so lasse wie bisher?
Unternehmen, die irreführend werben, riskieren Abmahnungen von Verbraucherschutzorganisationen oder Wettbewerbern. Auch teure Unterlassungsklagen oder Schadensersatzforderungen können folgen. Dies gilt im Rahmen des Urteils primär erstmal nur für das Wort „klimaneutral“. Wer aber ähnliche Begriffe in seiner Marketingkommunikation nutzt, läuft Gefahr, auch für Bezeichnungen wie „grüne Zukunft“, „Dein Beitrag zum Umweltschutz“ oder „Green Energy“ abgemahnt zu werden, sofern die Aussagen nicht „im gleichen Atemzug“ ausreichend belegt werden.
So können KMUs und Stadtwerke ihre Risiken minimieren
Aufgrund des Urteils sollten alle Werbemaßnahmen ausführlich auf deren Inhalte geprüft werden. Auch andere Kommunikationsmittel, wie die Website, Broschüren, Flyer etc. sollten dahingehend kontrolliert werden, ob speziell mit dem Wort „klimaneutral“ in vom BGH entschiedener unterlaubter Art und Weise geworben wird. Verwandte Begriffe sollten ebenfalls geprüft und ggf. durch direkte Hinweise und Verlinkungen eindeutig belegt werden.
Wer auf Nummer sicher gehen will, dem rate ich, seine Werbemaßnahmen von einer Rechtsabteilung oder einem spezialisierten Anwalt prüfen zu lassen, um potenzielle Risiken zu minimieren.
Wer noch mehr für die Umwelt und sein Image tun will, sollte sich zudem nicht nur auf Kompensationsmaßnahmen verlassen, sondern möglichst direkt Emissionen reduzieren. Das stärkt nicht nur die Glaubwürdigkeit, sondern kann auch im Marketing als zusätzlicher Verkaufsfaktor genutzt werden.