ideenhunger setzt ein Zeichen für ME/CFS erkrankte Menschen

11. Mai 2024 – 

Am 12. Mai findet der 32. ME/CFS Awareness Day statt. Seit den 90ern wird an diesem Tag weltweit auf die kaum bekannte und vor allem wenig erforschte Erkrankung ME/CFS aufmerksam gemacht. Während wir selbst bis vor vier Jahren noch nie etwas von dieser Erkrankung gehört hatten, ist die Krankheit seitdem sehr präsent. Unser Gründer und Geschäftsführer Simon wurde wie aus dem Nichts nach einer Influenza-Erkrankung bis heute nicht mehr gesund.

Das ideenhunger Büro von außen in der Nacht auf den 12. Mai 2024
Das ideenhunger Büro von außen in der Nacht auf den 12. Mai 2024

Für was steht ME/CFS?

Das ME steht für Myalgische Enzephalomyelitis und heißt übersetzt so viel wie „Entzündung des Rückenmarks und Gehirns“. Das CFS steht für Chronisches Fatigue-Syndrom und liest sich harmloser, als es in Wirklichkeit ist. Die Erkrankung ist eine in vier Schweregrade unterteilte neuroimmunologische Multisystemerkrankung, die oft zu einem hohen Grad körperlicher Behinderung führt oder jederzeit immer wieder führen kann – selbst wenn es zwischenzeitlich Besserungen geben kann. ME/CFS ist ein eigenständiges, komplexes Krankheitsbild, welches wenig erforscht und vor allem auch nur bei wenigen Ärzten bekannt ist. Es ist nicht mit dem einzelnen Symptom „Fatigue = Erschöpfung“ zu verwechseln.

Es benötigt mehr Aufmerksamkeit für diese Erkrankung

Wie schon angedeutet, ist die Erkrankung bei Medizinern bis heute wenig bekannt. Erst die Corona-Folgen, welche uns alle mit „Long bzw. Post-Covid“ bis heute in der Gesellschaft begleiten, haben das Krankheitsbild „glücklicherweise“ wieder mehr in den Mittelpunkt gerückt. So wie eine Influenza oder andere Virus-Erkrankungen ME/CFS auslösen können, kann dies auch durch Covid-19 ausgelöst werden. Allein durch Covid schätzt man, dass ca. 400.000 neue Betroffene hinzukamen in Deutschland. Obwohl die Erkrankung seit 1969 durch die WHO als körperliche Erkrankung eingestuft wird und es seit über fünf Jahrzehnten eine eigene ICD-Ziffer gibt, wird diese Erkrankung bis heute in keinem Medizin-Studium gelehrt und von manchen Ärzten fälschlicherweise (vermeintlich durch Unwissenheit) als psychische oder psychosomatische Erkrankung abgestempelt. Dies hat schlimme Folgen, da eine Aktivierung des Körpers bzw. Belastung zu einer deutlichen Verschlimmerung des Krankheitsbildes führt. So war es auch bei Simon, der immer wieder durch Belastungs-EKGs oder andere Aktivierungen „gejagt“ wurde. Man meinte es sicherlich gut, aber das hat den Zustand nachhaltig verschlechtert.

Das ideenhunger Büro von außen in der Nacht auf den 12. Mai 2024. Noch eine andere perspektive.

Es gibt derzeit keine richtige Therapie oder Heilung

Das Kardinalsymptom bei ME/CFS ist eine ausgeprägte Belastungsintoleranz, kurz PEM (Post Exertional Malaise) genannt. Dies bedeutet, dass die betroffene Person im einen Augenblick ggf. in einem milden oder moderaten Stadium der Erkrankung sein kann und durch eine Überlastung (und wir reden hier nicht von vier Fitness-Workout-Sessions hintereinander, sondern ggf. Alltagsaktivitäten wie Duschen oder ein längeres Telefonat oder oder) sich in ein schlimmeres Stadium katapultiert. Die Regeneration der Erkrankten ist im Vergleich zu gesunden Menschen ca. 10-fach verlangsamt und so reicht es nicht, dass man mal eben eine kleine Pause macht. Beschwerden neurologischer oder immunologischer Natur halten oft über Tage an, wenn der Zustand sich nicht nachhaltig verschlechtert. Im Worst Case werden Patienten bettlägerig und manche Patienten sind über Jahre und Jahrzehnte ans Bett gefesselt und müssen gepflegt werden.

Viele Patienten sind arbeits- oder berufsunfähig und leben am Existenzminimum. Versorgungsträger und Versicherungen leugnen das Krankheitsbild leider bis dato meist und zahlen die zustehenden Leistungen nicht aus.

Die Hoffnung stirbt zuletzt

Die aktuell einzige Chance auf Nicht-Verschlechterung bei mild oder moderat betroffenen Personen ist Pacing. Unter Pacing versteht man ein Verhalten, welches der Patient tagtäglich berücksichtigen muss und bedeutet, dass man unter seinen Belastungsgrenzen, die höchst individuell und auch tagesformabhängig sind, bleiben muss. Nicht umsonst nennen sich ME/CFS-Betroffene teilweise auch „Spoonies“, weil man im Prinzip morgens mit einem kaputten Akku aufwacht und pro Tag eine gewisse Anzahl an Löffeln (engl. Spoonies) zur Verfügung hat, die man für gewisse Aktivitäten einsetzen kann. Sind diese aufgebraucht, kämpft man sich ggf. noch unter Adrenalin mit einen leeren Akku durch den Rest des Tages und erhält dann in den darauffolgenden 12-48 Stunden seine „Quittung“. Die Symptomatik der Beschwerden verschlechtert sich immer weiter, je schlechter man das Pacing einhält. Problem beim Pacing ist: Die Lebensqualität ist dennoch enorm eingeschränkt, weil wir bei den einzelnen Aktivitäten wirklich von Grundbedürfnissen sprechen wie Zähne putzen, Duschen, Essen zubereiten, ggf. mit Freunden sprechen etc. – und dies ist das Leben eines mild bzw. moderat betroffenen. Bei schwer Erkrankten ist Pacing quasi nicht umsetzbar, weil selbst das Aufstehen aus dem Bett nicht möglich ist.

Neben dem Pacing gibt es erste Studien zu Medikamenten, die sich in sehr frühen Phasen befinden und noch einige Jahre auf sich warten lassen müssen. Manche Ärzte haben sich bereits weitergebildet (z.B. durch die Charité in Berlin) und verschreiben z.B. Medikamente im Off-label-Einsatz (also außerhalb des eigentlichen Behandlungszweckes). Problem hierbei: Die Patienten müssen es meist selbst bezahlen (Krankenkassen zahlen hierbei bislang nichts) und man läuft immer Gefahr auch als „Versuchskaninchen“ den Zustand zu verschlechtern. Zudem ist bei allen Medikamenten und Studien nicht sichergestellt, dass alle ME/CFS Patienten davon profitieren werden. Ein paar wenige Mediziner weltweit forschen seit Corona jedoch an dem Krankheitsbild und so bleibt am Ende die Hoffnung auf eine Behandlung. Positiv bleibt festzuhalten, dass sich wirklich einiges in den vergangenen zwei bis drei Jahren in der Anerkennung getan hat.

Aber wir stehen wirklich noch komplett am Anfang.

Das ideenhunger Büro wenige Tage vor der Aktion. Wir machen bereits tagsüber auf die Erkrankung aufmerksam.
Das ideenhunger Büro wenige Tage vor der Aktion. Wir machen bereits tagsüber auf die Erkrankung aufmerksam.

Unser Büro leuchtet blau – für alle ME/CFS Betroffenen

Daher bleibt bis dahin nur knallhart festzustellen: Die Versorgungslage für ME/CFS Betroffene ist Stand heute katastrophal. 

Und deshalb erleuchtet ein Teil unseres Büros – wie viele andere Gebäude weltweit – am 12. Mai in blau. Wir fordern so mit allen anderen Teilnehmern des ME/CFS Awareness Day Aufklärung von Entscheidungsträgern, eine fachgerechte und verpflichtende Weiterbildung von Ärzten, deutlich mehr Forschungsgelder, eine unbedingt notwendige adäquate medizinische Versorgung – sofern man sie zumindest auf Symptomebene durchführen kann – und vor allem auch eine gerechter und angemessener Umgang von Versorgungsträgern, Ämtern, Versicherungen und Behörden.

  • aktuell ca. 1 Mio. Betroffene in Deutschland
    (Schätzung Prof. Scheibenbogen Charité)
  • Auslöser: häufig Viruserkrankungen jeglicher Art
  • bei Ärzten und Behörden kaum bekannt
  • keine zugelassene Therapie bzw. Medikamente
  • Versicherungen leugnen die Erkrankung und zahlen z.B. keine Renten aus
  • viele Patienten sind arbeits- oder berufsunfähig und leben am Existenzminimum
Ein Eyecatcher in Leinfelden-Echterdingen. Post-its machen es möglich.
Ein Eyecatcher in Leinfelden-Echterdingen. Post-its machen es möglich.

www.fatigatio.de
www.lost-voices-stiftung.org
www.me-cfs.net
www.sgme.ch

Wenn auch Sie bei der Aktion #LightUpTheNight4ME im kommenden Jahr mitmachen wollen, ist das natürlich gerne gesehen. In Deutschland organisiert sich die Aktion durch #LightUpTheNight4ME

Besprechungsraum bei Nacht, beleuchtet in Blau, mit einem runden Tisch und vier Stühlen.

Autor

Simon Eberhardt

Gründer & Geschäfts­führender
Gesell­schafter

Der Gründer von ideen­hunger. Seit mehreren Jahren auf­grund der chronischen Erkrankung ME/CFS nunmehr im Hinter­grund tätig. Hat Marketing mit Schwer­punkt Public Relations an der Hoch­schule der Medien in Stutt­gart studiert und sein erstes Unter­nehmen mit 19 Jahren gegründet.

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